PASSIONSMARATHON
Vier Passionen von Carl Philipp Emanuel Bach am Karfreitag in Berlin
Eine besondere Möglichkeit, den Karfreitag zu begehen, bot sich am 18. April 2014 in Berlin. In vier verschiedenen Kirchen wurden anlässlich des 300. Geburtstages von Carl Philipp Emanuel Bach vier seiner 21 Passionen aufgeführt. Die Auswahl der Werke orientierte sich an den biblischen Evangelien und an den Komponisten, die als Koautoren der aufgeführten Werke in den Programmheften genannt wurden.
Der „Passionsmarathon“ begann um 10.30 Uhr mit dem Karfreitagsgottesdienst der Sophienkirche am Hackeschen Markt. Eingefügt in die Liturgie erklang die Lukas- Passion von 1771, deren Rezitative und Choräle durchweg von Telemann komponiert wurden. Der Eingangschor sowie zwei der acht Arien stammen von Georg Anton Benda (1722–1795), vier weitere von Gottfried Heinrich Stölzel (1690–1749), eine Arie von Gottfried August Homilius (1714–1785). Ein Accompagnement wurde von C. P. E. Bach geschaffen, dessen Arbeit an dieser Lukas-Passion in der geschickten Auswahl und Bearbeitung bereits vorhandener Stücke aus anderen Werken bestand. Komposition wird hier wörtlich als Zusammenstellen von einzelnen Teilen verstanden; diese Pasticciotechnik war im 18. Jahrhundert bekannt und anerkannt. Unter der Leitung von Kai-Uwe Jirka musizierten der Kammerchor der Sing-Akademie zu Berlin, SolistInnen, ein Knabe und Solostimmen aus dem Chor. Die Lautten Compagney Berlin begleitete diese schöne Aufführung sowie die folgenden drei Passionen.
Um 14 Uhr kam die Johannes-Passion von 1772, hervorragend musiziert von der Capella Angelica und weiteren ausgezeichneten Solostimmen, in der Matthäuskirche am Kulturforum zu Gehör; Dirigent war Wolfgang Katschner. Auch bei diesem Werk hat Bachs Patenonkel Georg Philipp Telemann mit seiner Johannes-Passion von 1760 Pate gestanden: Daraus übernahm Bach Rezitative und Choräle, die er mit neuinstrumentierten und transponierten Arien von Homilius und Stölzel zu einem eigenen Stück zusammenfügte. Den Schlusschor „Ruht wohl, ihr heiligen Gebeine“, versehen mit einer textlichen Kontrafaktur, entlehnte er der väterlichen Johannes-Passion.
Der Höhepunkt des Tages war zweifellos die Aufführung der Matthäus-Passion von 1769 um 17 Uhr in der Pauluskirche Zehlendorf. Der Staats- und Domchor Berlin, eine Vielzahl von Solo- und Soliloquentenstimmen und das um Pauke und zwei Hörner erweiterte Orchester präsentierte hier das längste Oratorium dieses Tages, wiederum auf hohem künstlerischen Niveau. Das informative Programmheft bezeichnet C. P. E. Bachs Matthäus-Passion als „Reverenz an den Vater“: Sie enthält die meisten Eigenkompositionen des Sohnes, und diese sind, ergänzt durch Choräle und Turbachöre der väterlichen Matthäus-Passion, nach deren Vorlage zusammengestellt. Kai-Uwe Jirka leitete Teile des Werkes vom Cembalo aus; von der Seitenempore sangen und spielten Evangelist und Jesus, Cello, Laute und Orgel.
Mit der Markus-Passion von 1774 um 21 Uhr in der Gethsemanekirche rückte Gottfried August Homilius als Komponist fast aller Teile dieser Passionsmusik in den Fokus. Dirigiert von Wolfgang Katschner sangen und musizierten die Sing-Akademie zu Berlin, Solisten und Solistinnen und noch einmal die Lautten Compagney Berlin.
Die zahlreichen Zuhörer – bis auf das Abendkonzert waren alle Kirchen bis auf den letzten Platz gefüllt – waren von dem Projekt, der Musik und der kunstvollen Ausführung sehr begeistert, wie der große Beifall zeigte.
Musik & Kirche - www.musikundkirche.de, 4/2014, Britta Martini