2000 bis heute
Nach dem Tod von Hans Hilsdorf betreuen verschiedene Interimsleiter die Sing-Akademie. Unter ihnen ist Steffen Schubert hervorzuheben. Im September 2002 übernimmt Joshard Daus die künstlerische Leitung und begründet eine enge Kooperation mit der Europachor-Akademie. In diese Zeit fallen erste Aufführungen aus dem zurückgegebenen Musikarchiv und Einspielungen der Passionswerke von Carl Philipp Emanuel Bach. Im Dezember 2005 wird die gemeinsame Zusammenarbeit einvernehmlich beendet. Für ein halbes Jahr pausiert die musikalische Arbeit der Sing-Akademie.
Im Sommer 2006 wird die Arbeit von einem engagierten Team aus Vorstand und künstlerischer Leitung wieder aufgenommen und dabei musikalisch-inhaltlich und strukturell grundlegend erneuert. Die Sing-Akademie zu Berlin besteht heute aus einem Hauptchor für Erwachsene, einem Kammerchor und dem Mädchenchor. Verantwortlich zeichnen seither Kai-Uwe Jirka (Musikalische Leitung des Haupt- und Kammerchors), Friederike Stahmer (Leitung des neu gegründeten Mädchenchors) und Christian Filips (Programmleitung). Der programmatische Neuanfang wird ermöglicht und intensiv begleitet von Georg Castell (Vorsitzender des Vereins, seit 2017 Vorsitzender der Stiftung) und Christoph Rechberg (Kassenwart des Vereins bis 2018). Eine großzügige Spende von Nina Freifrau von Maltzahn garantiert die künstlerische und institutionelle Unabhängigkeit.
Eine feste Kooperation verbindet die Sing-Akademie seither mit der Universität der Künste, insbesondere mit dem Staats- und Domchor und mit dem Institut für Kirchenmusik, durch Einbezug junger Nachwuchschorleiter in die Proben und Konzerte. Mit der Etablierung von Singalongs und offenen Konzertformaten für Kinder und Erwachsene (in den Reihen „Oratorio" und „Familiär") wurde die Sing-Akademie erneut zu einem Anlaufpunkt für die Berliner Öffentlichkeit.
In experimentellen Formaten wie dem „Chorlabor" und der „Liedertafel" treffen sich zwischen 2006 und 2014 die zeitgenössische Musik- und Literaturszene (zu Gast waren u. a. Ann Cotten, Elke Erb, Mara Genschel, Johannes Kreidler, Harald Muenz, Martin Schüttler, Monika Rinck) und entwickeln neue Formate für Vokalensembles.
Das Programm konzentriert sich seit 2006 vor allem auf Wiederentdeckungen von Werken aus dem Archiv der Sing-Akademie, auf unbekannte Oratorien (Adolph Bernhard Marx, Allan Pettersson, Luigi Dallapiccola) sowie auf Ur- und Erstaufführungen zeitgenössischer Komponisten (Jörg Birkenkötter, Luke Bedford, Katia Tchemberdji, Jennifer Walshe).
Auf Einladung des Maxim-Gorki-Theaters, des Hauses der Berliner Festspiele und der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz finden Musiktheaterprojekte statt, an denen Schauspielerinnen und Schauspieler wie Jens Harzer, Hanna Schygulla, Sophie Rois, Volker Spengler und international erfolgreiche Sänger und Sängerinnen wie Nikolay Borchev, Benedikt Kristjánsson, Anna Prohaska oder Matthias Goerne beteiligt sind.
Im April 2008 titelt das Wall Street Journal: A Growing Chorus: Sing-Akademie Blooms Anew in Berlin. Am 26. November 2011 schreibt Jan Brachmann in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung: „Jetzt hat ihr die Kunst die Tür geöffnet: die große Begabung von Christian Filips und Kai-Uwe Jirka, unter der Asche des Vergessens jene Stellen der Berliner Musikgeschichte aufzuspüren, wo noch Glut wartet, die Flammen schlägt, wenn der richtige Hauch sie trifft."
Besondere Beachtung finden 2009 die moderne Wiederaufführung des Oratoriums „Mose" von Adolph Bernhard Marx, das Oratorium "Tristram Shandy" 2013 im Haus der Berliner Festspiele, 2019 die Uraufführung von Christfried Schmidts Markuspassion in der Gethsemanekirche und die deutsche Erstaufführung der Cantata Criolla von Antonio Estévez im August 2019 im Berliner Dom.
In der Feierstunde zum 226. Jahrestag der Gründung der Sing-Akademie zu Berlin am 24. Mai 2017 unterzeichnete der Vereinsvorstand die Dokumente über die Errichtung der gemeinnützigen „Stiftung Sing-Akademie zu Berlin".
Die Sing-Akademie zu Berlin erfüllt ihre gemeinnützigen kulturellen Zwecke seither in zwei komplementären Einrichtungen: die im Jahre 1791 gegründete und seither ununterbrochen lebendige Gesellschaft (Verein) und die 2017 gegründete Stiftung.
Durch die Vermögensausstattung mit dem Haus am Kastanienwäldchen (verpachtet an das Land Berlin als Gorki-Theater), der unschätzbaren Noten-Bibliothek (Archiv der Sing-Akademie), Barvermögen und anderen Sammlungsgegenständen ist eine der bedeutendsten Kulturstiftungen Berlins entstanden.
Im Februar 2019 erhält Georg Graf zu Castell-Castell für seine Verdienste um die Sing-Akademie zu Berlin das Verdienstkreuz am Bande der Bundesrepublik Deutschland, das ihm vom Bundespräsidenten Steinmeier verliehen wird.
2017-2020 kooperiert die Sing-Akademie zu Berlin mit der Flüchtlingsinitiative „Neue Nachbarschaft Moabit", führte regelmäßig offene Singen für Kinder und Erwachsene mit Migrationshintergrund durch und gestaltete u. a. Konzerte mit Musikern aus Syrien, Iran und Tschetschenien.
Der Mädchenchor der Sing-Akademie hat ein eigenes Profil herausgebildet, gastiert in zahlreichen Opernhäusern und Theatern der Stadt. 2017 erringt der Chor eine Silbermedaille im Grand Prix of Nations in der Berliner Philharmonie. Im Mai 2018 nimmt er am Deutschen Chorwettbewerb teil und erhält den 2. Preis. Konzertreisen führen ihn unter anderem nach Island, Spanien, Dänemark, in die Schweiz sowie 2019 nach China.
Im März 2020 müssen alle Ensembles der Sing-Akademie ihren Chor-Betrieb aufgrund der Corona-Pandemie in den digitalen Raum verlagern und mehrere Monate auf Chorproben verzichten. Der Probebetrieb wird online weitergeführt, Open-Air-Konzerte finden im Literarischen Colloquium am Wannsee und vor dem Berliner Dom statt.
Seit Januar 2022 ist die Sing-Akademie in der St. Johanniskirche Moabit ansässig und probt wieder regulär. Im März 2022 feiert sie die 10-jährige Rückkehr ihres Archivs aus Kyiv (Ukraine) und nimmt eine Partnerschaft mit dem ukrainischen Vokalensemble Alter Ratio und seiner Chorleiterin Olga Prykhodko auf. In Anwesenheit des Komponisten Valentin Silvestrov findet am 26. März 2022 im Berliner Dom ein Benefizkonzert für die Ukraine statt.